Grisabella - eine kleine, aber wahre Geschichte
Kalt, so kalt. Dunkel, so dunkel. Schmerzen, solche Schmerzen. Ich habe Angst, furchtbare Angst.
Ja, ich lebe schon längere Zeit draußen und bin nicht unerfahren. Aber ich merke, wie meine Kräfte schwinden. Ich fühle mich erschöpft. Möchte mich hinlegen und schlafen. Nie wieder aufstehen… .
Doch wäre es fair? Für mich wäre es Erlösung, aber was ist mit meiner Menschin? Die Frau füttert mich seit einigen Monaten. Tagein, tagaus. Sie hat mich gerne. Darf ich sie einfach verlassen?
Meine schwachen Beinchen tragen mich wie von Geisterpfote zu dem Napf. Immer wieder pausiere ich beim Fressen, denn ich muss tief Luft holen. Mein Atem geht schwer. Mein Gesicht spiegelt sich im Napf wieder. Einst war ich hübsch und mein ganzer Stolz waren meine Schnurrhaare, um die mich so manche meiner felligen Freunde beneidete. Doch nun hingen sie wie auch mein Fellkleid schlaff an mir herab. Der Glanz war raus. So sieht der Tod aus, schoss es mir durch den Kopf und ich schloss meine Augen. Ich bin bereit zu gehen. Meine Zeit ist vorbei.
Doch das sahen ein paar Zweibeiner anders. Sie stellten einen Kasten auf in dem es herrlich duftete. Nach einigem Zögern wagte ich den Schritt nach vorne und… bereute es in derselben Sekunde. Hinter mir schloss sich die Tür des Kastens… .
*
Für uns Tierschützer ist es immer wieder ein erleichterndes Geräusch, wenn sich die Klappe der Lebendfalle ruckartig schließt. So auch am 13.10.15.
Die Katze, die eine tierliebe Frau in Bad Bevensen seit Monaten mit Nahrung versorgt und sie vor wenigen Tagen bei uns gemeldet hatte, war unglaublich scheu und hielt sich sehr zurück. Man kam höchstens auf 2 Meter an sie heran, bevor sie die Flucht ergriff und sich versteckte. Dennoch war auch auf diese Entfernung deutlich zu erkennen oder viel mehr zu hören wie sie um Luft kämpfen musste. Sie keuchte angestrengt bei jeder Bewegung - ein Bild des Jammers.
Eine tierärztliche Untersuchung war aufgrund des scheuen Verhaltens nicht sofort möglich. Die Katze musste zunächst sediert werden. Nach der Sedierung wurde die Untersuchung des Allgemeinzustandes in Angriff genommen.
Es war schnell klar: Diese Katze ist krank, alt und benötigt dringend unsere Hilfe um zu überleben. Der Tierarzt schätzt sie auf mindestens 14 Jahre. Sie hatte alle Zähne verloren, wahrscheinlich aufgrund eines gesundheitlichen Problems in jüngeren Jahren. Sie war sehr mager, hatte stumpfes Fell und war verfloht und verwurmt. Soweit war der Zustand für einen alten Streuner nichts ungewöhnliches, aber das war alles noch keine Erklärung für ihre schwere Atmung.
Einen Chip konnten wir an der Katze nicht ausfindig machen. Ihr Ohr ist zwar mit einer Tätowierung versehen, aber diese ist so sehr verblasst und von den Narben an den Streunerohren völlig unkenntlich gemacht.
Es gab eine Mischung aus Cortison und Aufbaumedikamenten, danach ging es erst mal in die provisorische Pflegestelle von der Katzen-Hilfe Uelzen. Hier wartete auf die Katze, die von uns nun den Namen Grisabella bekommen hatte, ein warmes, trockenes Zimmer mit Futter, einem Katzenklo sowie einer Schlafkiste mit Decken.
In der Pflegestelle sollte Grisabella sich erst mal erholen, bevor wir ihr Blut abnehmen konnten und weitere Untersuchungen wie Röntgenbilder anstanden.
In ihrem Zimmerchen hatte sich Grisabella sehr schnell eingewöhnt. Sie saß in ihrer Kuschelkiste und genoss die Ruhe und Wärme und natürlich das Futter. Die Atmung wurde auch deutlich besser.
Die Pflegestelle nimmt sich jeden Tag Zeit für Grisabella und versucht ihr zu vermitteln, dass Menschen nicht schlecht sind. Grisabella zeigt sich dankbar und ihre Angst wird weniger.
Mit verbessertem Zustand ging es nun erneut zum Tierarzt, dort wurden Blutuntersuchungen und Röntgenaufnahmen gemacht die deutlich darauf hinweisen, dass Grisabella schwere Schilddrüsenprobleme hat, die wohl sehr wahrscheinlich auch der Grund für ihre schwere Atmung sind.
Die weiteren Werte der Blutuntersuchung sind in Ordnung.
Wir waren nicht überrascht das Grisabella FIV positiv ist wie so viele ihrer Streunerkollegen.
Nun heißt es dranbleiben! Grisabella muss auf ihre Medikamente eingestellt werden und kann damit dann in Zukunft hoffentlich besser leben. Die Pflegestelle wird weiterhin alles geben ihr die Zeit schön zu machen mit vielen kleinen Kuscheleinlagen am Tag und Leckereien aller Art.
Vielleicht hat Grisabella so auch noch irgendwann die Chance auf einen Gnadenplatz auf einem Sofa wo es warm ist und Menschen sich um sie kümmern und ihr Freiraum geben.
Grisabella wird evtl. nie die typische Kuschelkatze werden, aber umso mehr sollte man sich über jedes bisschen Vertrauen und Zuneigung von ihr freuen.
*
So viele Tage vergingen und so viel geschah um mich herum. Wärme hüllte mich ein. Die Dunkelheit wurde von dem Licht verschluckt, Schmerzen und Ängste wurden weniger. Manchmal schäme ich mich. Ich bekomme täglich Futter und zwar so viel, dass ich hinterher so richtig satt bin. Dann denke ich an meine viielen Fellfreunde da draußen, die nicht solch ein Glück haben und ich wünschte, dass auch sie ihre Menschleins finden, die ihnen helfen. Dann krault meine Menschenfreundin meine Öhrchen und ihre Stimme macht mir Mut und nimmt mir die Scham. Sanft sagt sie: Jetzt ist dein Zeitpunkt gekommen, wo du all das bekommst, was dir zusteht und worauf du die ganzen Jahre verzichten musstest.
Für mich klingt das nach einem Traum. Aber einen sehr schönen.
Aber sie sagt auch, dass da noch mehr auf mich wartet. Ein Mensch, der mich schon lange sucht und es nur noch nicht weiß. Jemand, der mich lieb haben wird, so wie ich bin. Hilfst du mir bei der Suche nach diesem Menschen?
„Wärme hüllt mich wohlig ein,
nicht länger quält der Hunger mich -
fast zu schön, um wahr zu sein!
Mensch - ich fühl mich königlich!“
(© Birgit Lötzerich, www.katzeninfo.com)