Pflegestelle sein ist nicht immer nur die romantische Vorstellung, dass man ein Kätzchen bekommt, welches sich dankbar auf dem Schoß zusammen rollt oder einem im Bett gesellschaftleistet. Die Pflegekatzen kommen meist von draußen. Direkt von der Straße, dem Hof oder dem verwilderten Schrebergarten oder wie im Fall von Mattis, Pelle und Lasse vom Friedhof außerhalb eines kleinen Dorfes. Sie sind verschreckt. Alles ist anders und neu. Und dann ist da ein Mensch...
 
Anfangs saßen alle drei in ihrem Quarantänekäfig, zusammengequetscht in der kleinen Kratzbaumhöhle. Wir Zweibeiner wurden angebrummelt und Fauchen konnten die Kleinen wie ein großer Tiger. Ja, den Mensch – da waren sie sich einig – fanden sie einfach doof.

In ihrer Pflegestelle taute Mattis rasch auf. Typisch Kitten, war die Neugier größer wie die Angst. Pelle beobachtete aus sicherer Lasse hatte große AngstEntfernung mit großen Augen. Streicheln ja, aber genießen nein. Lasse zeigte deutlich: Lass mich in Ruhe. Und nicht nur das, nach einigen Wochen griff er seine Pflegemama sogar an. Er attackierte ihre Hände (nicht spielerisch!) und fauchte. Selbst die Federangel wurde als Bedrohung angesehen. Immer mehr zog er sich innerlich zurück. Beim Tierarzt musste er bei einer anstehenden notwendigen Untersuchung sediert werden. Die Tierärztin nutzte die Gelegenheit und kastrierte ihn mit unserer Absprache sogleich, damit er später nicht erneut sediert werden musste.

Doch ein Gedanke ging uns durch den Kopf. Wie einen solchen Kater vermitteln? Die meisten Menschen möchten schmusige Sofakatzen haben. Wenige lassen sich auf scheue Katzen ein, deren Herz und Vertrauen man erst erobern muss. Aber noch weniger Menschen nehmen eine Katze auf, die kratzt und beißt. Sollte Lasse keine Chance bekommen? Müssen wir einen Hofplatz für ihn suchen, wo er keinen Familienanschluss hat? Er ist doch noch so jung… :(

Nein, wir entschieden uns für einen anderen Weg. Lasse kam in eine andere Pflegestelle. Wir hofften inständig, dass es die richtige Entscheidung war… .

Hier berichtet nun die „neue“ Pflegemama Franzi:

Als Lasse zu uns kam, hatte er panische Angst vor Menschen, Spielzeug und vor allem vor Händen. Er fauchte, spuckte, schlug und griff leider auch einmal an. Wir hatten nicht viel Hoffnung, dass er sich überhaupt irgendwann einmal anfassen lässt. Aber versuchen wollten wir es auf jeden Fall. Denn jeder hat eine 2. Chance verdient. Also ging es mit viel Liebe und vor allem Geduld an die Arbeit.
Zu allererst, versuchten wir ihm das Spielzeug wieder positiv vorzuführen. Er lag am liebsten auf dem Kratzbaum in einer Höhle. Also legte ich alle Federangeln und Federstäbe um den Kratzbaum herum und sprühte diese mit Baldrianspray ein. Um zum Wasser und auf Toilette zu kommen, musste er daran vorbei, ob er wollte oder nicht. Und das hat auch super funktioniert. Am nächsten Tag konnte man bereits mit ihm spielen, nur kurz, aber immerhin. Also hofften wir, dass wir auch mit dem Rest keine Probleme bekommen würden. Da hatten wir falsch gedacht...

Alles andere war kein Zuckerschlecken. Ich hatte das Gefühl, als hätte er sich bereits selbst aufgegeben, als wollte er nie wieder irgendwem vertrauen. Aber WIR wollten nicht aufgeben!
Also bekam er nur noch Futter, während wir dabei waren, es dauerte lange, fing mit einem Finger im Napf an und endete mit der ganzen Hand auf dem Napf. So fraß er immer eine Armlänge von uns weg. Immer wieder mussten wir hart einstecken, blutige Finger und Hände waren an der Tagesordnung. Am Tag 45 ging ich ihn wie üblich füttern, ich war irgendwie mutig. Weil er sehr entspannt war, strich ich ihm vorsichtig mit 2 Fingern über den Rücken, er ging 4 Schritte im Rückwärtsgang und fraß dann weiter. An diesem Tag ging ich mit einem Lächeln aus dem Zimmer. Als hätte er heute zum ersten Mal etwas von dem verstanden, was ich ihm jedes Mal erzählte, wenn ich bei ihm war."Hab keine Angst kleiner Mann, von uns hast du nur Gutes zu erwarten."

Lasse - mittlerweile liebt er seine MenschenSo vergingen noch gute 2 Wochen, bis zu dem Abend, als mein Mann und ich mal wieder gemeinsam fütterten. Wir strichen ihm abwechselnd vorsichtig über den Rücken, wenn er in der Nähe war. Da fing Lasse an zu schnurren und kam mit erhobenem Schwanz auf meine Hand zu. Ich schloss sie vorsichtshalber zur Faust, um meine Finger zu schützen. Aber er griff nicht etwa an… Nein, er gab Köpfchen. Ich glaube man hat in diesem Moment den Stein ganz laut plumpsen hören.
Kurz darauf rieb er sich auch an meinen Bein, sehnte sich nach der einen Sache: Liebe. Also traute ich mich und öffnete die Hand und streichelte ihn richtig, vorsichtig aber mit der ganzen Hand. Das war der Punkt auf den wir lange gehofft  haben, aber nicht wussten ob er jemals kommen würde. Ich musste weinen vor lauter Freude.

Ab und zu gab es noch einen Pfotenhieb, einfach weil er sich noch nicht eins war, ob das alles jetzt auch so toll ist, wie es sich anfühlt.

In den nächsten 2 Wochen arbeiteten wir noch intensiver, vorher war es eher angebracht in allen Lagen auf seine eigene Initiative zu warten um ihn nicht zu drängen.

Und was soll ich sagen? Es hat sich gelohnt. In den nächsten zwei Wochen übten wir, ihn positiv an die Box zu gewöhnen, denn auch Tierarztbesuche standen noch an. Diese hat er allerdings mit Bravour gemeistert.

Kurz darauf durfte er auch endlich aus seinem Katzenzimmer und unsere Katzen kennenlernen. Lasse genießt es in vollen Zügen.Lasse ganz ohne Angst

Mittlerweile ließ er sich die Krallen schneiden und liegt genüsslich zwischen uns auf dem auf dem Rücken und lässt sich mit Streicheleinheiten verwöhnen.

12 Wochen sind nun vergangen, und wir sehen hier einen Kater, der all das macht, was wir nur gehofft haben. All das, hat er sich selbst erarbeitet. Wir haben ihm nur geholfen den richtigen und für ihn besten Weg einzuschlagen. Das dankt er uns nun mit all seiner Liebe, viel kuscheligem Fell und liebevollem packen und abschlecken unseren Hände.

Kurzum: Lasse ist ein absoluter Schmuser geworden, wie er es sich für sich auch gewünscht hat. Er hatte bis jetzt keine Probleme mit unseren Katern und auch nicht mit unserem ruhigen Hund. Kinder sollten erst ab 8 Jahren da sein. Auch sollte man ihm Zeit geben, von alleine zu kommen. Fremden gegenüber braucht er Zeit. Aber es lohnt sich absolut, sein Herz erobern, denn er dankt es einem vollkommen.
Lasse spielt gerne mit Bällen und Mäusen, lässt sich aber auch ab und zu zu einem Spiel mit dem Federstab hinreißen. Er ist größtenteils ein sehr ruhiger Kater, der gerne überall dabei ist.