Im Oktober 2015 fanden liebe Tierschützer ein altes schwarz-weißes Katzentier auf der Straße - dem Tode nahe: krank, zahnlos, ausgemergelt. Schnell kam die Katze zu uns, der Katzen-Hilfe Uelzen, um auf einer unserer Pflegestellen in Ruhe aufgepäppelt zu werden. Die erste Untersuchung bei einem Tierarzt war schwierig, da die Katze völlig scheu war – eine alte Katzendame, wurde uns gesagt. Ihre fransigen Ohren und ihre großen Augen erzählten Geschichten aus wilden Tagen. Viele Revierkämpfe musste sie überstanden haben. Aber nun - so ganz ohne Zähne und mit einer nicht mehr funktionierenden Schilddrüse... da wurde das Straßenleben immer härter bis sie sich fast aufgegeben hatte.
Mit viel Sorgfalt und Liebe wurde die kranke Katzendame versorgt und bekam den Namen Grisabella – wie die alte Katze aus dem Musical „Cats“. Wild, wundervoll und so voller Stolz!
Einige Monate gingen ins Land und Grisabella bekam ein Traumzuhause angeboten. Bei tollen, einfühlsamen Menschen die mit viel Tierverstand bereit waren Grisabella Raum und einen Platz zu geben an dem sie gewollt und geliebt wurde.
Diese Rechnung hatten wir aber ohne die alte Katze und das Schicksal gemacht... Grisabella stellte ca. 6 Wochen nach ihrem Einzug das Fressen ein. Was war los? Der neue Besitzer lockte mit Leckerchen und Frischfleisch – nichts konnte den Appetit der alten Katze wecken. Nach 2 Tagen kompletter Futterverweigerung brachte der neue Besitzer sie zu seinem Tierarzt. An dieser Stelle hofft man natürlich auf die Kompetenz und das Wissen eines Fachmannes. Es hieß Grisabella habe eine sehr schmerzhafte Stomatitis (Entzündung der Mundschleimhaut) und wurde nach kurzer Behandlung wieder nach Hause geschickt wo sie zumindest wieder Milch zu sich nahm. Allerdings ging es nach diesem kurzen Bergauf direkt wieder in die Talfahrt denn sie nahm am nächsten Tag erneut wieder nur Wasser zu sich und wurde in Windeseile zurück zur Praxis gebracht. Dem Besitzer wurde versichert, man würde tun was möglich ist und Grisabella blieb diesmal zur Beobachtung in der Praxis. Der Tierarzt gab 2x täglich Infusionen mit Elektrolyten sowie Glucose und flößte die nötigen Medikamente ein, die für die Schilddrüse wichtig waren. Ein Breitband-Antibiotikum und Schmerzmittel wurden verabreicht. ...Was kann man sonst noch tun? Sie wollte einfach nicht fressen...
Der Tierarzt sah von einer detaillierten Diagnostik mit einem Bluttest ab, er riet dem Besitzer am 05.01.2017 die alte Katzendame aufgrund ihres geschätzten Alters von ca. 16 Jahren und der Vorerkrankung Katzenaids einzuschläfern - es wäre völlig sinnlos weiter um ihr Leben zu kämpfen. Der Virus hätte Überhand genommen, sie würde nur weiter höllische Schmerzen im Mäulchen leiden und nun wäre ihre Zeit gekommen. Traurig und enttäuscht teilte der neue Besitzer der Katzen-Hilfe Uelzen dies mit.
Ohne viel zu besprechen, waren wir bei der Katzen-Hilfe Uelzen uns sofort einig, dass wir das so nicht hinnehmen konnten. Erkrankt eine Katze, die alt und/oder FIV positiv ist an was auch immer, wird sie bitte genauso behandelt, wie eine junge oder/und FIV-negative Katze. Auf keinen Fall sollte man auf medizinische Therapien verzichten, nur weil eine Katze FIV-positiv oder alt ist und das Immunsystem das vermeintlich "sowieso nicht schafft".Spontan holten wir Grisabella mit Zustimmung des Adoptanten bei diesem Tierarzt ab, mit der Absicht eine zweite Meinung in der Tierklinik Lüneburg einzuholen. Im ersten Moment sorgte das für Entsetzen bei dem Adoptanten und vor allem bei dem Tierarzt, der sehr gekränkt und verärgert auf unsere Fragen und Kritik reagierte. „Natürlich können wir jetzt hier noch einen riesigen Zirkus veranstalten aber wofür? Für eine Katze die mit Katzenaids infiziert ist?!“ - Was für eine Aussage! Ja NATÜRLICH, denn diese Katze hat es genauso verdient zu leben wie jede andere auch! Eine vernünftige Diagnostik ist das A und O in der Medizin.
So ging es am 06.01.2017 morgens früh in die Tierklinik nach Lüneburg. Nachdem üblichen Aufnahmeprozedere kamen wir dran. Die Tierärztin untersuchte die total entkräftete sowie massiv dehydrierte (!) Grisabella und war überrascht über die Diagnose mit der Stomatitis, also den Wunden im Mund. Diese schätzte sie als recht problemlos und wahrscheinlich als Ergebnis der tagelangen Futterverweigerung ein – nicht als den Auslöser. Die Tierärztin schlug direkt einen Bluttest vor. Die Ergebnisse zeigten hohe Entzündungswerte aber überraschend gute Leber- und Nierenwerte. Das bedeutete: „Es lohnt sich zu kämpfen“
Bei einem Ultraschall stellte die Klinik fest, dass die Bauchspeicheldrüse geschwollen und mit 90% Wahrscheinlichkeit der Auslöser für die Appetitlosigkeit war. Die Schmerzen bei einer solchen Entzündung sind hoch und würden auch erklären warum Grisabella sich im Allgemeinen so zurückgezogen hatte. Eine ganz normale Pankreatitis also, wie sie bei fast jeder Katze im Leben mal vorkommen kann und die auf sehr einfache Art behandelt wird. Bei Grisabella wurde wegen ihrer FIV-Diagnose nicht einmal danach geschaut, dabei brauchen ‚Fivies‘ in der Regel nur schneller und etwas längere Behandlungen in solchen Fällen.
Da das vorherige Antibiotikum nicht angeschlagen hatte, wurde dies gewechselt. Grisabella musste über das Wochenende in der Klinik bleiben. Jeden Tag gab es Rückmeldungen vom Klinik-Team. Die Betreuung war toll. Grisabellas‘ Blutwerte wurden täglich gemessen, zeigten aber zuerst keine Besserung, schlechter wurden sie jedoch auch nicht. Nach 2 Tagen der neuen Medikation fing sie zaghaft an selbstständig zu fressen. Nach Hoffen und Bangen kam am Montag der ersehnte Anruf das sie selber frisst, die Entzündung deutlich zurückgegangen ist und sie wieder nach Hause bzw. in die Pflegestelle darf.
Gegen Mittag standen wir dann direkt auf der Matte in der Tierklinik. Gespannt und voller Glück. Dieses Mal empfing uns eine andere Tierärztin ganz herzlich zum Gespräch und erklärte uns, dass wir Grisabella von nun an etwas fettärmer und bewusster ernähren müssen. Noch hatten wir Grisabella nicht zu Gesicht bekommen und die Spannung war groß als die Tierärztin plötzlich sagte: „Sie haben Grisabella als Katze eingeliefert, sie wissen aber dass es ein kastrierter Kater ist?“ ...
... Nein. Das wussten wir nicht!
Grisabella war lange scheu, und erst in den letzten Monaten war körperlicher Kontakt möglich. Wir hatten das Wort des ersten Tierarztes einfach hingenommen und nie nachgeprüft. Für uns war all‘ die Monate Grisabella ein weibliches Tier – eine Dame.
Diese Nachricht schmälerte aber unsere Freude nicht. Grisabella war wieder auf dem Weg der Besserung – alles andere war egal.
In der Pflegestelle nahm Grisabella sofort SEINEN Platz wieder ein. Alle Lieblingsplätze wurden direkt belegt und es wurden unglaublich viele Kuscheleinheiten ausgetauscht. Anfangs konnte Rüdiger (ehemals Grisabella) nur kleine Mengen fressen. Jeder Tag war ein Gewinn und der kleine Kerl nahm immer weiter zu.
Heute ist er genau das, was jede Katze dort draußen verdient hat... Ein geliebtes Familienmitglied, denn seine Pflegestelle konnte und wollte ihn nach dieser Achterbahn der Gefühle nicht mehr gehen lassen.
Und das war auch gut so…♥