Unregistrierte Chips und/oder eigentümliche Chipnummern
von Marit Reich

Vor Kurzem durfte ich Teil einer Suchaktion der ganz besonderen Art sein - eine Geschichte, die in ihrem Umfang und ihren Wendungen kaum vorstellbar ist...

Alles begann wie folgt:

Im Tierheim Lüneburg tauchte eine humpelnde und sehr magere Katze mit einer eigentümlichen Chipnummer auf, die zudem leider in keinem deutschen Register registriert war.

Das Foto der flauschigen Maus wurde zusammen mit den wenigen bekannten Informationen in der Lüneburger Facebook-Gruppe für verlorene und gefundene Tiere veröffentlicht.

Da ich jahrelang in Lüneburg gewohnt habe und neben Arbeit und Familie regelmäßig ehrenamtlich im Tierschutz aktiv war, bestand weiterhin Kontakt zu einigen Helfern des Tierschutzes aus dem Raum Lüneburg.

Vor einem Jahr sind wir aus familiären und beruflichen Gründen für insgesamt 4 Jahre nach Amerika ausgewandert.

Eine Mitarbeiterin des Tierheims Lüneburg schrieb Melanie Hoffmann von der Katzen-Hilfe Uelzen e.V. an, da sie wusste, dass Melanie schon oft wegen nichtregistrierten Chipnummern recherchiert hatte. Die Chipnummer war in der Tat ungewöhnlich, da in dieser keiner der üblichen Ländercodes enthalten war. Am Ende der Chipnummer stand ein A. Den Gedanken, dass A für Amerika steht, denn Österreich konnte sie ausschließen, hat Mel schnell verworfen. Jedoch ging ihr die USA nicht mehr aus dem Kopf… Könnte die Katze aus den Vereinigten Staaten kommen?

Kurz darauf bekam ich also eine Nachricht mit der Frage ob diese eigentümliche Chipnummer denn amerikanisch sein könnte.

Da ich mich mit den Chipnummern hier vor Ort noch gar nicht befasst hatte musste ich dies erst einmal selbst in Erfahrung bringen...

Zu diesem Zeitpunkt befanden wir uns gerade in einem Umzug mit Katze und 2 kleinen Kindern. Es war bereits das zweite Ferienhaus im neuen Bundesstaat, welches wir erst mit Verspätung erreichten. Wir hatten bereits eine Menge Ärger und Probleme wegen einer verspäteten Umzugsgut-Lieferung. Und wegen der Verspätung unseres Fahrzeugs mussten wir parallel für die Verlängerung der aktuellen Bleibe und für einen fahrbaren Untersatz sorgen … Kurzum, es war ziemlich stressig. Dennoch nahm ich mir die Zeit und steckte bereits voll in der Recherche wegen der nicht registrierten Chipnummer, während die Kinder neben mir spielten.

Zu unserem Glück hatte ich aus diesem Grund die Unterlagen von unserem hier in Amerika aus dem Tierheim adoptierten Kater nicht bei mir und fing an Nachforschungen anzustellen. Wären diese Unterlagen bereits bei mir gewesen, hätte ich im Falle einer dort anderslautenden Nummer Melanies Frage wahrscheinlich sofort verneint und die Spur Amerika wäre versiegt. Unwissend über die tatsächliche Situation der Chip-Codierung, auf die ich dann wie folgt gestoßen bin:

Eine erste Online-Recherche brachte leider keinen wirklichen Erfolg. Daher rief ich kurzerhand unseren zukünftigen Tierarzt um die Ecke an und fragte die Sprechstunden-Hilfe dort, ob die besagte Chip-Nummer der Fundkatze aus Deutschland eventuell amerikanisch sein könnte.

Und tatsächlich, diese bestätigte mir selbiges und erwähnte noch, dass es hier auf Grund der Landesgröße und unterschiedlichen Herstellern verschieden lange und beschaffene Nummern gäbe...

Ich machte mich also auf die Suche nach einem nationalen Tierregister und wurde fündig. Über die Seite www.aaha.org erfuhr ich, dass die Nummer tatsächlich nicht registriert ist. Ähnlich wie bei der Chip-Datenbank PETMAXX wurde aber der Hersteller angezeigt.

Von nun an begann ein Kampf mit diversen Warteschleifen, die Amerika so im Angebot hat...

Zuerst rief ich bei dem Chip-Hersteller an. Dort konnte man die Tierklinik ermitteln, welche den Chip eingesetzt hat. Bei einem Anruf in der Tierklinik war die überaus freundliche und interessierte Tierarzt-Helferin doch tatsächlich in der Lage den Chip einer Katze in ihrem System zuzuordnen. Sie konnte mir also bereits den Namen der Katze und ihr stolzes Alter von mittlerweile vermutlich etwa 13 Jahren mitteilen.

Sie versprach die in der Kartei vermerkte Eigentümerin zu kontaktieren und mich zurückrufen. Ich fragte sie direkt, ob sie mir die vorhandenen Kontaktdaten für den Fall geben kann, dass die Nummer nach so vielen Jahren nicht mehr aktuell ist. Sie willigte sofort ein! Bittere Minuten des Bangens folgten bis ich den Rückruf bekam:

Die Nummer war tatsächlich nicht mehr aktuell...

An dieser Stelle kommen wir an einen Punkt an dem die Datenschutzrichtlinien hier in Amerika definitiv von Vorteil sind: Die Tierarzt-Helferin gab mir auf Grund der Umstände den Namen der Besitzerin und ihres Partners (unterschiedliche Nachnamen, also 2 Anhaltspunkte). Desweiteren konnte sie mir sogar sagen, dass diese laut Kartei bereits 2011 (!) nach Dänemark ausgewandert seien und die Katze exakt aus diesem Grund chippen ließen. Leider vergaßen sie aber den Chip im Anschluss auch zu registrieren.

Sie selbst hatte schon mit einer Online-Suche und Namens-Suche über Facebook versucht die Besitzer zu finden, wurde dabei aber nicht fündig.

Ich vermutete direkt, dass man den Nachnamen der Eigentümerin wahrscheinlich mit einem deutschen "ß" schreibt. Daher ist sie unter der amerikanischen Schreibweise mit "ss" sicher nicht zu finden… Viel später sollte sich herausstellen, dass ich mit dieser Annahme richtig lag.

Also tat ich es der Tierarzt-Helferin gleich und suchte im Internet vornehmlich die Eigentümerin, aber auch ihren Partner im deutschen und dänischen Kontext, da ich nun erst einmal annahm, dass die Katze eine Ferienausbüchserin war oder vielleicht in die Lüneburger Heide weitervermittelt wurde.

Auf Melanies Bitten mit dem Versprechen der ausdrücklichen Geheimhaltung hin gab ich mit etwas Überlegung ausschließlich ihr die Namen der Eigentümerin und des Partners, um direkt von Deutschland aus ebenfalls zu versuchen etwas in Erfahrung zu bringen.

Auf Facebook fand ich den Partner nicht, weder mit seinem noch mit ihrem Nachnamen. Dann schrieb ich aber sämtliche Frauen mit den passenden Namen an, wovon mir auf Grund der versteckten Nachrichten-Anfrage-Funktion - die viele Empfänger nicht sehen - kaum jemand antwortete.

Melanie mit ihrer aufmerksamen Beobachtungsgabe fiel dabei noch auf, dass bei einer Frau unter einem Foto einiges in englischer Sprache kommentiert und der Vorname des Partners der Eigentümerin in einem anderen vermutlich süddeutschen Kommentar erwähnt wurde... Aber leider schien der Facebook-Account bzw. das was für Fremde einsehbar war schon ziemlich veraltet, weshalb von dieser Person auch nie eine Antwort kam...

Parallel rief ich derweil nochmal die deaktivierte Nummer an und fand mit Hilfe der Ansage heraus, dass es sich um eine Handy-Nummer handelte (in den USA haben Festnetzanschlüsse und Handys dieselbe regionale Vorwahl). So fand ich den Handy-Anbieter heraus, bei dem ich sogleich zwei endloslange Hotlines hintereinander anrief, um von dem ersten lediglich zu erfahren ich müsse die andere anrufen. Dort erfuhr ich, dass Kundendaten bereits 30 Tage nach Deaktivierung der Nummer vollständig gelöscht werden und für niemandem mehr nachvollziehbar sind.

Also die erste richtige Sackgasse...

Des Weiteren versuchte ich mein Glück beim Einwohnermeldeamt in der Stadt in der die Tierklinik ansässig ist. Eine frühere Adresse der Eigentümerin hatte ich ja nicht...

Dort teilte mir eine sehr nette Dame mit, dass sie tatsächlich aus Datenschutzgründen nicht befugt wäre mir jegliche Informationen zu geben. Ich solle es in diesem Fall doch mal bei der Polizei versuchen.

Der Polizist den ich in einem der vier Reviere erreichte (woher sollte ich wissen, welcher Bezirk der richtige ist) sagte mir nur, dass er für so einen Fall das System nicht benutzen dürfe - also wieder eine Sackgasse...

Melanie fand währenddessen diverse schriftliche Veröffentlichungen von einem Autor mit dem Namen des Partners der Eigentümerin und unter anderem eine gemeinsame Arbeit von zwei Autoren mit exakt den Namen des Partners und der Eigentümerin: Das mussten sie also sein!

Aber wie nun weiterkommen? Die Veröffentlichungen waren von 2011 und die neueste ausschließlich von IHM von 2015... Vielleicht waren die beiden ja inzwischen getrennt?

Mir blieb also nicht viel mehr übrig als dem Forum über das Kontakt-Formular zu schreiben, die völlig verrückten Umstände zu erklären und um Mithilfe zu bitten. Diese äußerst umwegige Anfrage konnte ich aber Gott sei Dank später noch revidieren, denn der Zusammenhang von dem Partner der Eigentümerin und dem Berufszweig der den Veröffentlichungen einher ging brachte mich auf eine neue Spur...

Und schließlich fand ich in der Branche jemanden in Lüneburg mit dem Namen des Partners der vermeintlichen Eigentümerin der Katze... Ein letzter Check-Up seiner Vita bestätigte mir den Wohnort in Amerika und den Umzug nach Dänemark und dann über Umwegen auch den finalen Umzug nach Lüneburg: WIR HABEN SIE!

Aber was nun? Die 6 Stunden Zeitverschiebung, potentielle Telefon-Kosten für beide Seiten und eine mögliche Ignoranz von einem fremden Anruf aus dem Ausland machten es mir ziemlich schwierig weiterzukommen und den Partner der Eigentümerin zu kontaktieren. Also versuchte ich es einfach erst einmal mit einem sehr deutlichen Hinweis, dass ihre Katze gefunden wurde über die Arbeitsmail. Aber es kam und kam keine Antwort darauf... Vielleicht ist er im Urlaub dachte ich...

Melanie und ich wurden nervös - das alles zog sich ziemlich und die Katze sollte doch nicht länger als nötig im Tierheim sitzen. Also startete Melanie nebenbei noch einen Versuch die Eigentümerin zu finden und fand den Arbeitsplatz mit Hilfe der Berufsbezeichnung und dem Nachnamen ihres Mannes, den sie zwischenzeitlich geheiratet hatte. Sie versuchte auch hier ihr Glück, wurde aber von der Kollegin ohne konkrete Infos zum Betreff des Anrufes am Telefon erst einmal nur abgewimmelt. Melanie hinterließ ihre Nummer und bat um einen Rückruf. Als dieser erfolgte stellte sich sehr schnell heraus, dass es tatsächlich die Eigentümerin war. Sie verriet Melanie, dass die Katze an einer Stoffwechsel-Krankheit leide, was ja eine wichtige Info und ein umso dringenderer Grund war sie schnell heim zu bekommen. Nun musste die Besitzerin aber leider bis zur Schließzeit des Tierheims arbeiten.

Ich riet Melanie sofort ihre bekannte Mitarbeiterin im Tierheim um Verständnis zu bitten, ob diese ausnahmsweise für diesen Fall ein paar Minuten länger bleiben könnte. Aber unterdessen bekam ich die Antwort vom Partner der Eigentümerin, dass er meine E-Mail erst für Spam gehalten habe und dies erst prüfen wollte. Sie wären dankbar, dass wir sie gefunden hätten und dass er die Katze zusammen mit den Kindern noch heute nach Hause holen würde... (Und das 2 Tage vor Beginn unsres finalen Umzugs!)... Was für eine Erleichterung!

Viele Mitglieder der Gruppe haben die ganze Zeit live mitgefiebert - ich brachte sie datenschutzkonform jeweils auf den neuesten Stand - und waren selig nun diese phantastischen Neuigkeiten zu hören.

...Doch leider ereilte mich nur 4 Tage später (da wir mitten in unserem Einzug waren las ich sie sogar noch mit 3 Tagen Verzögerung) eine unfassbar traurige Mitteilung:

Der Partner der Eigentümerin schrieb mir eine erneute Mail, dass sich im Mundraum der Katze leider ein inoperabler Tumor gebildet hatte und ihnen nichts anderes übrig blieb als ihre Katze zu erlösen...

Ich stand buchstäblich unter Schock und wollte es Melanie und der Gruppe erst gar nicht mitteilen...

Was für eine tragische Wendung dieser unfassbaren Geschichte nach so einem vermeintlichen Happy End!

...ein kleiner Lichtblick bleibt aber dennoch, den auch die Eigentümer in ihrer abschließenden Nachricht hervorhoben: Die Katze war in ihren letzten Stunden nicht allein und auch sie hatten die Möglichkeit Abschied von ihr zu nehmen.

Mir bleibt nun final nichts anderes mehr zu sagen als:

Ruhe in Frieden, du alte Weltenbummlerin!

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